Wieder saß er alleine am Tisch, belegte mehrere Plätze. Er würde nicht sagen, dass er dick war. Nein, er war fett! Seine Klamotten kaufte er in extra Läden, aber er achtete etwas auf Stil. Trotzdem sah jeder, dass er fett war. Er selbst konnte damit umgehen, hatte gelernt mit seinem Körper umzugehen. Früher sah er noch anders aus, trieb Sport, hatte eine gute Figur, aber dann kam der Beinbruch. Er musste lange zu Hause bleiben, konnte kein Sport treiben, sich kaum bewegen, nur etwas Spazieren gehen. Aus Frust fing er an zu Essen. Immer mehr zu essen. Als der Bruch verheilt war und er wieder Sport treiben durfte, hatte er schon zu viel zugenommen. Das Laufen fiel ihm schwer, schnellere Bewegung viel ihm schwer und so ließ er den Sport. Ging nur etwas spazieren, aber er blieb beim Essen. Sein Körper schrie danach und so wurde er immer dicker. Sein Bürojob behielt er. Er hatte keinen Kundenkontakt und seinen Kollegen war es fast egal. Am Anfang sprachen sie ihn noch an, später nicht mehr.
Und jetzt saß er wieder im Restaurant. Vorspeise, 2 Hauptgerichte hatte er gegessen und machte sich jetzt an die Desserts. Die Menschen gingen an ihm vorbei, einige schauten angewidert, andere mussten schmunzeln. Die Blicke kannte er, er hasste sie. Aber was sollte er machen? Er aß das Dessert auf und zahlte. Stand auf. Versuchte aufzustehen. Wie so häufig schaffte er es erst nach 3-4 Versuchen seinen Körper hochzuhieven. Einige Restaurantbesucher mussten lachten und diesmal platzte ihm der Kragen. Schrie sie an, beschimpfte sie. Oh ja, er war fett, fett und unansehnlich und das mochten die ja nicht. Nein, die Idealvorstellung war, dass Untergewicht perfekt ist. Nur wenn man die Rippen sehen kann, ist man schön. Blo0 kein Gramm zu viel wiegen. Lieber nur Salat und Wasser zum Essen. Nein, bitte keine fetthaltige Sauce. Nein, Cola macht dick, da ist zu viel Zucker drin. Schatz, ich habe im letzten Jahr 0,5 Kilo zugenommen. Ich bin so fett. Ich mach jetzt lieber eine Diät. Ja, er war fett. Aber er war trotzdem glücklich. Nach diesen Worten ging er raus, ging wütend nach Hause. Wie er es hasste. Wie er es verfluchte
Er kam zu Hause an, immer noch wütend. Es brodelte in ihm. Er hatte schon wieder den Drang zu essen. Sah die Schokolade, Frustessen. Doch er hielt sich zurück. Er wollte sich jetzt zurückhalten, wollte wieder in die Öffentlichkeit gehen ohne diese Blicke ertragen zu müssen. Erst einmal musste er sich beruhigen. Er nahm seine Gitarre, das Liederbuch und setzte sich auf den Balkon. Ein schöner Sommernachmittag, warm und viele Leute saßen draußen. Er fing leise an zu spielen. Zuerst ein Lied ohne Text um in Stimmung zu kommen. Melodramatisch erklang die Musik, ein ruhiges Lied zum Anfang, etwas wehmütig.
Danach sang er zu den Liedern. Alles Lieder zum Nachdenken, zum Träumen. Somewhere over the Rainbow, All Out of love, Victims of Circumstance, Mandy, Take my breath away, Africa, Black Velvet. Er merkte, wie die Anwohner ihm lauschten, wie sie auf ihren Balkons standen, teilweise sogar im Hinterhof, ja er hatte sie mit seiner Musik, mit seinem Gesang gefesselt. Er spielte noch eine Weile, bis er aufhörte. Er stand auf und da kam der Applaus, Beifall von allen Seiten. Er war gerührt, wusste nicht was er sagen sollte. Sowas hatte er in letzter Zeit nicht erlebt. Wollte eigentlich nur für sich spielen. Er kämpfte mit den Tränen, wollte gerade in die Wohnung zurück, als die Nachbarin ihn ansprach. Ihn fragte, ob er nicht morgen mit der Gitarre mit in den Park wollte. Im Grünen liegen, auf der Wiese ein wenig träumen. Er sagte zu
Am nächsten Tag holte die Nachbarin ihn ab und mit mehreren Leuten gingen sie in den Park. Decken hatten sie dabei, Getränke, Obst. Er setzte sich auf eine, lehnte sich an eine Tasche und fing an zu spielen. Wieder die ruhigen Lieder. Zum Träumen, zum Kuscheln. Er vergaß alles um sich herum, spielte, sang und träumte nebenbei. War wie in Trance. Sie waren am Anfang nur 15 Leute, aber es kamen mehr. Die Wiese füllte sich. Alle waren still, nur seine Gitarre und seine Stimme waren zu hören. Er spielte 2-3 Stunden bis er aus seiner Trance erwachte. Er griff zu einem Saft und die Menge applaudierte. Erst da realisierte er wieder wo er war. Tränen rannen aus seinen Augen. Er war wieder sprachlos. Musste schlucken. Gestern noch die Enttäuschung und heute das.
Er trank einige Schlucke und dann kam ein Mann auf ihn zu. Er erkannte, dass dieser auch gestern im Restaurant gewesen war. Dass auch er gelacht hatte. Es schien ihm peinlich zu sein. Vor der Menge entschuldigte er sich. Entschuldigte sich auch für seine Freunde. Entschuldigte sich, dass sie gelacht haben, dass sie sich über sein Äußeres lustig gemacht haben. Und er dankte ihm, dankte ihm für die Musik, für seine Lieder. Er hat in seinem Herzen etwas gespürt.
Das Äußere war egal, aber das Innere ist wichtig. Was du in deinem Herzen trägst, was du fühlst