Der Ausreisser

Er war nicht der Beste in der Klasse, leider nur der zweitbeste und das war für seinen Vater zu wenig. Maik war jetzt 14 und seit er in der einen Mathearbeit nur eine 3 hatte, musste er noch mehr lernen. Sein Vater war Lehrer, zum Glück nicht in Mathe, aber trotzdem war es noch schlimm genug. Er wollte auch noch etwas Freizeit haben, aber seit der 3 hatte es sich erledigt. Die Nachmittage verbrachte er vor den Schulbüchern, versuchte sich das Wissen einzubrennen und bis zur nächsten Mathearbeit würde es so weiter gehen. Keine schönen Aussichten.

Die Deutscharbeit war eine 1, auch Physik, Englisch und Chemie wurden Einser, aber die Mathearbeit stand erst in 2 Monaten an und so lange hieß es noch Lernen, Lernen, Lernen. Mittlerweile hing es ihm auch schon zum Halse raus und er sprach auch darüber mit seinem Vater, aber dieser erklärte ihm zum wiederholten Male, dass er erst die Mathearbeit abwarten würde. Nichts war mit der Geburtstagsfeier bei einem Klassenkameraden, nichts mit Kino. Nur Lernen.

Nachdem er am Freitag nicht zur Geburtstagsfeier durfte, packte er Samstagmorgen seinen Rucksack. Nahm geschmierte Scheiben Brot mit, etwas zu trinken und etwas Geld. Zu seinen Eltern sagte er, dass er etwas spazieren gehen wollte, um den Kopf freizubekommen. Sein Vater rief ihm noch nach, dass er zum Mittagessen wieder zu Hause sein soll, aber Maik ignorierte es. Er ging zum Bahnhof, kaufte sich keine Fahrkarte, sondern stieg einfach so ein. Den Kontrolleur umging er, indem er sich auf der Toilette versteckte und so fuhr er fast bis zur Grenze.

Kurz vorher stieg er sicherheitshalber aus und ging die letzten Kilometer zu Fuß. Im Zug hatte er noch etwas gegessen und getrunken und war bereit für eine kleinere Wanderung. Kontrolliert wurde ja nicht mehr und so kam er ungehindert nach Frankreich. Mittlerweile war es 13 Uhr und die Eltern warteten zu Hause bestimmt schon auf ihren Sohn, aber da konnten sie lange warten. Als er nach einiger Zeit wieder einen Bahnhof erreichte, stieg er wieder ohne Fahrkarte ein und fuhr weiter Richtung Atlantikküste. Auch in diesem Zug wurde er nicht kontrolliert und eine Station vor der Endhaltestelle stieg er aus. Zu essen und trinken hatte er nichts mehr und da er in der Schule Latein und kein Französisch hatte, kam er hier auch nicht zum Einkaufen. Aber immerhin kam er zur Küste und setzte sich dort an den Strand. Dieser war komplett verlassen und langsam wurde es dunkel. Da es aber Sommer war, wurde es nicht kalt und so blieb er noch ewig sitzen. Schließlich rollte er sich zusammen, nahm seinen Rucksack als Kopfkissen und schlief ein.

Als er am nächsten Morgen erwachte, knurrte sein Magen doch etwas mehr und so machte er sich auf nach Süden und fand dort auch eine kleine Ortschaft. Da er die Sprache nicht beherrschte, machte er sich anders bemerkbar, bekam ein Frühstück, dass er natürlich auch bezahlte und mit den Getränken, Croissants und anderen Backwaren im Gepäck ging es weiter die Küste entlang. Keiner hielt ihn auf oder sprach ihn an, es waren auch nur vereinzelte Jogger und Romantiker unterwegs. Seine Eltern haben bestimmt schon eine Vermisstenmeldung ausgegeben, aber wer würde ihn in Frankreich vermuten?

Er bewegte sich dann oberhalb der Steilküste vorwärts, vermied aber weiterhin die großen Straßen und nahm nur kleinere Wege. Abends war er dann von der langen Wanderung erschöpft und hungrig. Diesmal entdeckte er einen Lebensmittelmarkt, in dem die Hintertür offen war. Er schlich sich hinein, nahm so viele Lebensmittel mit, wie er tragen konnte und lief schnell weg. Die Nacht verbrachte er diesmal in einem Wald und auch heute war die Nacht sehr warm.

Am Morgen wuchte er von Hundegebell geweckt und schreckte auf. Es war ganz in seiner Nähe und er wurde ziemlich unruhig. Schnell kletterte er auf einen Laubbaum in seiner Nähe und blieb dort erst mal. Der Hund kam zwar auf den Baum zu, schnüffelte etwas, rannte dann aber doch zurück zu seinem Herrchen. Maik blieb noch auf dem Baum, bis er nichts mehr hörte und kletterte dann hinab. Weiter ging es Richtung Süden und an einem Schild erkannte er, dass er die Bretagne verließ und nun in Pays de la Loire war.

Die Loire erreichte er dann im Laufe des Tages und als er diese auf einer Brücke überqueren wollte, wurde er von einem Polizisten entdeckt. Mit seinem verwahrlosten Aussehen machte er einen seltsamen Eindruck und der Polizist wendete sofort seinen Wagen um ihm zu folgen. Schnell verließ Maik die Straße und rannte so schnell es ging fort, weiter nach Süden. Der Polizist gab noch eine Meldung ab, stieg aus und folgte ihm. Maik war aber etwas besser in Form und so konnte er den Polizisten irgendwann abhängen, der sich auch nicht zu weit von seinem Auto entfernen wollte. Aber nun war Maik entdeckt und dies war ihm auch bewusst. Weiter ins Landesinnere wollte er aber nicht, da dort mit Nantes eine größere Stadt lag, also ging es weiter nach Süden.

Die Nacht verbrachte er in Ruhe in einem Gebüsch, aber am nächsten Morgen, mittlerweile war es Dienstag, hörte er wieder Hunde in seiner Nähe und Rufe von Männern. Er schreckte auf, sah noch nichts, nahm aber schnell seinen Rucksack und lief weiter nach Süden. Auf den Straßen sah er Polizisten und so blieb er im Wald doch der Wind war ungünstig und die Hunde witterten ihn. Schneller als die Hunde war er nicht und so blieb er schließlich stehen, als mehrere Männer auf ihn zu kamen. Sie sprachen ihn an, aber er antwortete nicht, folgte ihnen aber zum Wagen und es ging doch nach Nantes auf eine Polizeistation.

Zuerst konnten sie dort nichts mit ihm anfangen, da er weiterhin nichts sagte, in seiner Geldbörse nichts Persönliches war und in seinem Rucksack nur französische Sachen waren. Als dann aber die internationalen Vermisstenmeldungen kontrolliert wurden, war das Ausreißen endgültig beendet. Zwei Polizisten fuhren ihn mit dem Auto nach Strasbourg, wo er von deutschen Polizisten abgeholt wurde, die ihn zurück zu seinen Eltern brachten. Diese waren sehr erleichtert ihn wieder zu sehen und der Vater sah ein, dass er doch zu streng mit ihm war. Ausreißen ist doch eine der letzten Möglichkeiten um auf sich aufmerksam zu machen, aber in Maiks Fall war es erfolgreich. Ihm wurde mehr Freizeit gegönnt, die Noten verschlechterten sich nicht, er blieb weiter ein Einser-Schüler. Auch in Mathe schaffte er die 1 und bei seinen Klassenkameraden erntete er für die 4 Tage sogar viel Anerkennung.

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