Sollten sich die Bundesrepublik Deutschland und Tschechien vereinen?

Schon vor einigen Monaten, nachdem Tschechiens Präsident Miloš Zeman aufgrund verschiedener Äußerungen in die Schlagzeilen geraten war, habe ich über diese provokante Frage nachgedacht.

Da die Euro-Krise in Griechenland weiter fortschreitet, Großbritannien mit dem Austritt aus der EU liebäugelt, Russland an den Ostgrenzen der EU wieder militärisch aufrüstet und für Unruhe besonders in den baltischen Ländern sorgt, in den meisten Ländern nationalistische Parteien an Zuwachs gewinnen und viele Länder eher Kompetenzen aus der EU abziehen wollen, bin ich der Meinung, sollte Europa stärker zusammenwachsen. Mich selbst würde ich als Europäer bezeichnen und mein politischer Traum ist ein vereintes Europa, das nicht mehr aus Nationalstaaten besteht, sondern eher als ein Europa der Regionen zu betrachten ist. Und es wird Zeit, dass endlich mal die Pro-Europäer in die Offensive gehen.

2008 begann die globale Finanzkrise, aber die EU hängt immer noch aus verschiedenen Gründen darin fest. Dank der Wirtschaftskraft von China wird Asien die EU bald wirtschaftlich überholen, besonders wenn auch Indien wieder stärker wird. Auch Südamerika könnte Europa einholen, auch wenn dort die Krise auch für einen Rückschlag gesorgt hat. Für die USA könnte der pazifische Raum interessanter werden, besonders wenn es mit dem Freihandelsabkommen TTIP nicht funktionieren sollte und so die Partnerschaft mit den USA reduziert wird. Wenn die EU politisch nicht mit einer Sprache spricht, verliert sie an Gewicht in der Welt. Russland fordert die EU momentan auch heraus, versucht die Einheit etwas aufzubrechen, indem sich zum Beispiel Bulgarien oder Serbien angenähert wird. Die Türkei ist als Partner oder Aufnahmekandidat auch weggefallen, seit Erdogan immer autoritärer regiert und nun Krieg gegen die Kurden führt.

In dieser Situation ist es aber politisch nicht durchsetzbar weitere Kompetenzen an Brüssel abzugeben. Forderungen nach einer einheitlichen Wirtschafts- oder Außenpolitik sind derzeit unpopulär und würden von den nationalistischen Parteien wie der Front National in Frankreich oder UKIP in Großbritannien sicherlich ausgeschlachtet werden. Eine Wirtschaftsunion ist momentan nicht möglich, selbst wenn Griechenland aus der Eurozone ausscheiden würde. Auch ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten ist eine Utopie, da daraus eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entstehen würde und die Eurozone auch daran zerbrechen würde.

Jahrhunderte lang war Prag ein Mittelpunkt Europas, die erste Universität Mitteleuropas wurde hier gegründet, im 14. 16. und 19. Jahrhundert blühte hier das kulturelle Leben und die Stadt erlebte dabei jeweils einen Aufschwung. Mit Prag bildete auch das damalige Böhmen den Mittelpunkt Europas und den Mittelpunkt des Heiligen Römischen Reiches. Mit dem Aufstieg des Habsburger Reiches begann der Niedergang. Die Geschichte Europas wurde über Jahrhunderte von dem Gebiet der jetzigen Tschechei mit geprägt. In der EU ist momentan Deutschland der bestimmende Staat, da Frankreich, der eigentliche Gegenpart, selbst wirtschaftlich in Schwierigkeiten steckt.

Da die EU mit ihren 28 Mitgliedsstaaten auf Jahre hinaus keine größeren Reformen durchführen und Kompetenzen erhalten wird, wird sich in der EU auch nicht viel ändern. Die Krise bleibt, Großbritannien verlässt vielleicht die EU, aber Fortschritte wird es keine geben. Meine Idee klingt vielleicht etwas verrückt und löst bei vielen Menschen sicherlich starkes Kopfschütteln auf, dennoch möchte ich sie kurz vorstellen.
Nachdem sich die EU als Ganzes nicht reformieren wird, könnte man noch einen anderen Weg gehen und zwar indem sich 2 Länder vereinen. Wie man es aus der Überschrift rauslesen kann, meine ich dabei im ersten Schritt Tschechien und Deutschland.

Aufgrund der teilweise sehr schwierigen gemeinsamen Geschichte klingt es auf den ersten Blick vielleicht sehr seltsam, anderseits wäre es natürlich ein riesiger Schritt in eine endgültige Versöhnung. Anfang des 20. Jahrhunderts, im Habsburger Reich Österreich-Ungarn, waren die Tschechen nicht unbedingt gleichgestellt, wurden 1918 unabhängig. 1938 wurde erst das Sudetenland, einige Monate später dann die Rest-Tschechei vom Deutschen Reich annektiert. 1945 folgte dann die teilweise gewalttätige Vertreibung der Deutschen. Durch den eisernen Vorhang entwickelten sich die damalige Bundesrepublik Deutschland und die Tschechoslowakei natürlich in verschiedene Richtungen, sind aber heute beide in der EU und stehen für demokratische Werte. Heutzutage droht auch keine Gefahr mehr von solchen Ereignissen wie im 20. Jahrhundert, anderseits sind die Vertriebenenverbände in Deutschland immer noch aktiv. Zwar unterscheiden sich Tschechen natürlich von den Deutschen, sind sich aber doch ähnlicher als zum Beispiel Spanier oder Griechen. Insofern wären diese beiden Länder für mich die ersten Kandidaten einer Vereinigung auf den Weg zu einem geeinten Europa. Deutschland und Österreich sind historisch vorbelastet, Norwegen und Schweden sicherlich nicht interessiert, auch wenn dies auch 2 Kandidaten wären. Auch die Benelux-Länder kämen für mich in Frage, allerdings gibt es ja schon in Belgien Probleme mit den Flamen und Wallonen. Doch vielleicht würden diese Probleme in einem größeren Staat kleiner werden.

Natürlich wäre so eine Vereinigung nicht von heute auf morgen möglich, es würde bis dahin sicherlich Jahre dauern. Die beiden Staaten müssten sich in vielen Bereichen annähern. Haupthemen sind sicherlich Steuerpolitik, politisches System, Justiz, Bildung, Soziales und Wirtschaftspolitik. Deutschland hat es ja mit der Wiedervereinigung 1990 schon einmal erlebt, aus diesen Erfahrungen kann man sicherlich lernen. Wenn sich die Länder halbwegs angeglichen haben, könnte man über eine Vereinigung nachdenken und dann weiter angleichen. Es würde sicherlich eine Weile dauern, überhaupt eine Art Inventur zu machen, was sich alles ändern muss und kann. Tschechien ist von der Fläche und der Bevölkerungszahl am ehesten mit Bayern zu vergleichen, sollte also auch ein eigenständiges Bundesland werden. Zusätzlich sollte in Deutschland das föderale System auch reformiert werden und einige Bundesländer sich vereinen. Natürlich würde die tschechische Kultur weiterleben und weiter gefördert werden. In Bayern gibt es ja auch noch die bayerische Kultur, die von den anderen Bundesländern teilweise belächelt werden. Tschechien würde sich an Deutschland angliedern, aber als Region oder Volk immer erhalten bleiben.

In Deutschland selbst ist für solche Reformen auch kein Willen da, wenn aber ein Impuls von außen kommt, wäre sicherlich mehr möglich. Wenn sich Deutschland und Tschechien vereinen, ziehen vielleicht andere Länder nach, wie zum Beispiel die Slowakei. Dann würde sicherlich auch die Bezeichnung Deutschland in der amtlichen Bezeichnung wegfallen oder durch die anderen vereinten Staaten eingeordnet werden. Eine Person, die Deutschland und Tschechien auf friedlichem Wege auf den Weg nach Europa vereint, würde sicherlich in die Geschichtsbücher eingehen. Es würde sicherlich sehr viele Widerstände geben, aber das Ziel eines stärkeren Europas wäre lohnenswert.

Mir als glühender Europäer blutet derzeit das Herz und mein großer Traum eines vereinten, friedlichen, demokratischen Europas liegt in weiter Ferne.

Noch habe ich Hoffnung, dass auch andere Menschen so denken wie ich.

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